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Gruppenfoto vor dem Versammlungshaus im Projekt Kwa Wazee.jpeg

Reisebericht aus Tansania von Alexa Von Krogh

12.03.2020

Seit mehreren Jahren unterstützen unsere Botschafter Gunnar Sander und Karsten Wulf die Arbeit von HelpAge. Nun nahmen sie sich Urlaub, um auf eigene Kosten gemeinsam mit ihren Ehefrauen Alexa Von Krogh und Silke Wulf sowie HelpAge Geschäftsführer Lutz Hethey und Ehefrau Edi Gude auf eine Projektreise nach Tansania zu begleiten.

Seit mehreren Jahren unterstützen unsere Botschafter Gunnar Sander und Karsten Wulf die Arbeit von HelpAge. Nun nahmen sie sich Urlaub, um auf eigene Kosten gemeinsam mit ihren Ehefrauen Alexa Von Krogh und Silke Wulf sowie HelpAge Geschäftsführer Lutz Hethey und Ehefrau Edi Gude auf eine Projektreise nach Tansania zu begleiten. Die Ziele lauteten: KwaWazee in Nshamba sowie die Flüchtlingscamp in Kibondo. Am 21. Februar starteten sie und kamen eine Woche später mit unvergesslichen und berührenden Eindrücken wieder zurück. Diese haben sie für euch festgehalten.

Mit dem Regen nach Nshamba – Zu den Projekten von KwaWazee

Wir sind angekommen in Bukoba. Starke Regenfälle verzögerten unsere Ankunft am Viktoriasee um einige Stunden. Edimund, ein KwaWazee-Mitarbeiter, den wir schon von seinem Deutschlandbesuch letzten September kannten, erwartet unsere kleine Gruppe. Mit dem Auto fahren wir nach Nshamba, wo das Büro von KwaWazee ist. Schon nach wenigen Kilometern weicht die befestigte Straße Sandpisten, die aufgrund der vielen Regenfälle in den letzten Wochen teilweise tiefe Schlaglöcher, riesige Matschlöcher oder extreme Spurrillen aufweisen. Der Weg führt durch eine hügelige, grüne Landschaft, geprägt von Bananen, Bananen und noch mehr Bananen. Je weiter wir uns von der Stadt entfernen, desto kleiner werden die Häuser und immer seltener sind sie noch gemauert und verputzt, sondern aus Lehm, die Dächer aus Reisig.

Im Alter noch fit zu sein, ist überlebenswichtig.

Überall empfangen sie uns mit einem überschwänglichen „Karibu“ (Willkommen). Wir tauchen ein in das Leben vor Ort und erfahren viel von den Menschen. Rovena leitet die Gesundheitsgruppe. Sie erzählt uns, dass die Senioren z.B. etwas über Hygiene erfahren oder zum Erhalt der Beweglichkeit gemeinsam Gymnastik betreiben. Sie betont, dass dies überlebensnotwendig sein kann. Denn die Menschen sind bis ins hohe Alter darauf angewiesen, für sich selbst und womöglich noch für Familienangehörige Nahrung auf den Feldern anzubauen, Wasser aus der entfernten Wasserstelle zu holen und Holz zum Kochen zu sammeln. Über die Beweglichkeit der alten Damen können wir verwöhnten Europäer nur staunen. In der Selbstverteidigungsgruppe von Alphonsine erleben wir, wie sie Angreifer abwehren oder wie sie sich Zuhause mit einer Flasche voller Sand oder einer Piri Piri-Mischung, die man Eindringlingen ins Gesicht schleudert, verteidigen. Dies ist notwendig, da in Tansania häufig ältere Frauen Opfer von Gewalt sind; Raub, Vergewaltigung oder sogar Tötung, weil man als Hexe angeklagt wird, sind keine Seltenheit.

Rentenauszahlung und selbstverwaltete Gemeinschaftskasse

Es ist Pay Day! Alle SeniorenInnen, die eine Rente von KwaWazee bekommen, müssen den Erhalt quittieren; manchmal mit Unterschrift, manchmal mit Daumenabdruck. Wer die Rente erhalten hat, zahlt sogleich einen kleinen Betrag in eine Gemeinschaftskasse ein, die die SeniorenInnen selbst verwalten. Mit dem Ersparten werden zum Beispiel Medikamente oder die Fahrt zum Hospital bezahlt, aber auch mal das Totenhemd, wenn keine Angehörigen da sind, die dies übernehmen würden. Die Gruppe führt ordentlich Buch und zeigt uns stolz jede Einzahlung und jede Ausgabe der Gemeinschaft.

Zuhause bei den „Stillen Heldinnen“ Aurelia und Yustina

Einen sehr persönlichen Einblick in das Leben von älteren Menschen erhalten wir durch die Besuche bei Aurelia und Yustina, die uns in ihre Häuser einladen und von ihrem Leben erzählen. Es sind kleine Lehmhäuser, mit winzigen Fenstern, dafür aber befestigten Holztüren; für den Selbstschutz. Sie versuchen auch, Einbrecher in die Irre zu führen, indem sie Männerschuhe vor die Tür stellen, obwohl sie alleine bzw. mit einem kleinen Enkelkind leben. Die kleine Flasche mit Sand oder Piri Piri neben dem Bett fehlt auch nicht. Aber Dank des Selbstverteidigungstrainigs fühlen sie sich sicherer. Der Boden besteht aus festem Lehm, der mit frischem, feinem Gras ausgelegt ist. Gekocht wird in einer kleinen Hütte hinter den Häusern über offenem Feuer. Strom oder fließendes Wasser gibt es nicht. Dank der Unterstützung von KwaWazee und HelpAge gibt es eine Regenwasserzisterne. Somit muss der weite Weg zum Wasserholen nicht mehr gemacht werden. Außerdem wissen sie jetzt, wie sie auf sehr einfache Weise das Trinkwasser mit Hilfe der Sonne desinfizieren können. Yustina berichtet, dass sie seither viel seltener krank ist. Neben Yustinas Haus liegt das Gemeinschaftsfeld, das von der Seniorengruppe gemeinsam bewirtschaftet wird. Sie bauen vor allem (Koch-)Bananen, Mais, Kasava (Maniok), Kaffee und Süßkartoffeln an. Jeder beteiligt sich an der Arbeit und die Erträge werden geteilt.

Bedürfnisse älterer Menschen werden in den Flüchtlingscamps dank HelpAge bedient

Nach drei prallgefüllten und erlebnisreichen Tagen in Nshamba geht es in einer 6-stündigen Fahrt weiter nach Kibondo, ca. 30 km von der Grenze zu Burundi entfernt, wo wir die MitarbeiterInnen von HelpAge International unter Leitung von Smart Daniel treffen. Rund um Kibondo gibt es seit drei Jahren drei Flüchtlingscamps mit 30.000 aber auch mit 120.000 Geflüchteten. HelpAge International ist mit knapp 40 Mitarbeitern in diesen Camps nicht nur für ältere Flüchtlinge zuständig, sondern auch für die sogenannten PSN – persons with specific needs.
Die Flüchtlingscamps sind eingezäunt. Das Verlassen ist den Geflüchteten nicht gestattet. Die Sicherheitsmaßnahmen jedoch sind nicht so groß, wie erwartet. Das mag daran liegen, dass „Ausbrechern“ 20-30 Jahre Gefängnis drohen. Abschreckung genug! Auf den ersten Blick sehen die Häuser hier nicht so viel anders aus, als in den umliegenden Dörfern. Etwas kleiner, auch aus Lehm, offene Kochstellen, ein paar Bananenstauden, Kasava, Mais wo Platz ist. Und unendlich viele Menschen. Einmal im Monat wird die Essensration ausgegeben: Maismehl, Bohnen, Öl und Salz. Es gibt Schulen und Gesundheitsstationen.
Der Empfang in den Camps ist laut, bunt und fröhlich. Es wird gesungen und getanzt, getrommelt und mit Trillerpfeifen gepfiffen. Und von überall schallt es „Karibu“ - Willkommen. Inzwischen wissen wir, dass wir darauf mit „Asante“ antworten müssen.

Gesundheitsversorgung, Sportangebote und Trainings erleichtern den Alltag im Camp

HelpAge unterhält in den Camps Zentren, in denen die BewohnerInnen vielfältige Möglichkeiten wahrnehmen können:

· Mithilfe zur Selbstorganisation, damit ältere Menschen in der Lage sind, ihre Bedürfnisse gegenüber der Lagerleitung zu vertreten

· Physiotherapie

· Nähunterricht für alleinstehende Mütter

· Tanzgruppen

· Sportangebote für Menschen mit einer körperlichen Beeienträchtigung.

Es ist faszinierend, mit welcher Begeisterung eine Gruppe Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit Ball spielen; sie sind so reaktionsschnell und konzentriert dabei. Oder wie geschickt Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit Fußball mit der Hand spielen. Der Jubel, wenn ein Tor fällt, ist genauso enthusiastisch wie bei uns zu Hause.

Ein großer Teil der Unterstützung wird aber auch denjenigen zuteil, die ihre Hütten nicht mehr verlassen können. Sie werden von den MitarbeiterInnen Zuhause besucht, erhalten Rollstühle, die monatliche Essensration und vieles mehr.

Nöte und Hoffnungen der Campbewohner – Der Wunsch nach ein bisschen mehr Freiheit und Selbstständigkeit

Jede Gruppe innerhalb der PSN hat ihren eigenen Sprecher oder Sprecherin gewählt. Sie erzählen uns von den Nöten und Wünschen der Geflüchtete. Es wird die eintönige Nahrung angesprochen oder dass bei Kleiderspenden berücksichtigt werden sollte, dass die allermeisten Frauen im Camp aus einem Kulturkreis kämen, in dem Frauen Röcke oder Kleider tragen und keine Hosen. Doch das größte Anliegen ist allen Gruppen gemeinsam: Sie möchten das Camp verlassen können. Entweder nur um Handel mit den umliegenden Dörfern treiben zu können, denn was nicht im Camp selber produziert werden kann, gibt es einfach nicht. Oder um sich irgendwo an einem sicheren Ort niederzulassen, um ein normales Leben führen zu können. Die Frage eines älteren Mannes ist besonders ergreifend, wenn auch für uns nicht beantwortbar: „Ich bin seit Mitte der Siebziger Jahre auf der Flucht, wo kann ich sicher leben?“


Altengruppen für Zusammenhalt und Existenzsicherung

Auch in den umliegenden „hosting villages“ ist HelpAge tätig. Wir besuchen eine Seniorengruppe, die mit Hilfe von HelpAge ein Schwein und einige Hühner kaufen konnte. Gemeinsam wurde ein Stall für die mittlerweile fünf Schweine gebaut und zurzeit errichten sie ein Zaun um das Gelände herum, damit die Hyänen nachts abgewehrt werden können. An der Arbeit rund um die Tiere muss sich jeder beteiligen und jedes Mitglied zahlt monatlich 1000 tansanische Schillinge (ca. 40 Cent) ein, damit Futter und Medikamente für die Tiere gekauft werden können. Stolz berichten sie uns, dass sie erst noch weitere Ferkel abwarten wollen, bis sie die ersten Tiere verkaufen wollen. Die meisten dieser Senioren kannten sich nicht, bevor HelpAge diese Gruppe initiiert hat. Wir spüren einen starken Gemeinschaftssinn, den Willen etwas gemeinsam zu erreichen und auch die Überzeugung dies zu können.



Beim gemeinsamen Abschiedsessen gibt es das, was wir die ganze letzte Woche jeden Tag genossen haben: Reis, Kasava, Kochbananen und Hähnchen. Die Zeit in Tansania verging wie im Flug und kam uns doch sehr lang vor, weil wir so unglaublich viele Eindrücke gesammelt haben. Diese werden uns noch lange beschäftigen.